Respektiert mich mein Pferd? Respekt im Sinne von Höflichkeit im Natural Horsemanship

Respekt klingt im Deutschen schnell nach Drill und Unterordnung, aber was passiert wenn wir Respekt im Sinne von Höflichkeit betrachten?

So respektiert dich dein Pferd

Warum Respekt keine Einbahnstraße ist und 5 Tipps, wie wir ihn uns verdienen können  

 

R-E-S-P-E-K-T – Ein Wort, sieben Buchstaben und sicher 7000 Interpretationsmöglichkeiten! Vermutlich niemand in der Reiterwelt kommt an diesem Begriff vorbei und muss ihn früher oder später für sich definieren. 

“Hau mal ordentlich drauf, dem fehlt der nötige Respekt!”, “So ein respektloses Verhalten würde ich bei meinem Pferd nie im Leben dulden!”, “Respekt muss man sich verdienen!” – die Liste der Floskeln zu diesem Thema ist im Pferdetraining und im Gespräch darüber sicher schier endlos. 

 

Ich möchte dir mit dem heutigen Blogpost meine Definition von Respekt erklären, dich ermutigen, den Begriff für dich selbst ganz neu zu klären und dir fünf Tipps mit auf den Weg geben, wie du eine respektvolle und partnerschaftliche Beziehung zu deinem Pferd aufbauen kannst. 

Wenn du nach dem Lesen noch tiefer in das Thema einsteigen willst, möchte ich dir auch gleich zu Beginn meine Podcast-Folge zum Respekt ans Herz legen. Diesen findest du überall dort, wo es Podcasts gibt. 

 

Meine persönliche Definition von Respekt 

Oder auch: Respekt ist keine Einbahnstraße 

Anders, als die Beispiele suggerieren, die ich dir in der Einleitung gegeben habe, definiere ich Respekt nicht als “blinder Gehorsam”, der auf Unterdrückung und Gewalt aufbaut. 

Aber ich stimme dem letzten Zitat zu: Respekt muss man sich verdienen, er wird einem nicht geschenkt und man muss immer wieder neu beweisen, dass man Respekt verdient – aber eben nicht über lautes Machtgehabe und das Unterbuttern des Gegenübers. 

Respekt ist für mich etwas, was man geschenkt bekommt, wenn man die Gegebenheiten dafür schafft. 

Um Respekt zu verdienen, muss ich zuerst Respekt geben und bereit sein, an mir zu arbeiten und mich auf den Dialog mit dem Gegenüber, in diesem Fall mit meinem Pferd, einlassen. 

Respekt ist eine sehr schöne Form des Feedbacks. Wenn mir jemand Respekt entgegenbringt, kann ich davon ausgehen, dass ich sein Vertrauen genieße, denn Respekt und Vertrauen gehen meiner Meinung nach immer Hand in Hand. 

Wenn ich mein Pferd jedoch nicht in seiner ursprünglichen Natur respektiere und seine Bedürfnisse wahr- und ernstnehme, wird es mir kaum ehrlichen Respekt entgegen bringen. 

Nehme ich seine Bedürfnisse jedoch wahr, kann ich gute Entscheidungen für mein Pferd treffen und es wird sich mir gerne anschließen und mich aus freien Stücken heraus respektieren. 

 

Wie definierst du Respekt? Mache dir gerne Notizen, was für dich Respekt bedeutet und wie du respektvolles Verhalten erkennen kannst.

 

5 Tipps, wie wir uns den Respekt unseres Pferdes verdienen können 

  • Natürliches Pferdeverhalten: Was ist Respekt für sie? Wen respektieren sie (und wieso)?

Pferde sind geborene Herden- und Beutetiere. Ihre Kommunikation verläuft (bis auf wenige Ausnahmen) nonverbal und ohne großes Aufsehen zu erregen. Nur so haben sie es geschafft, über Millionen Jahre als Spezies zu überleben. 

Macht man sich dies bewusst, ist es nicht verwunderlich, dass meist die Pferde die Leittiere sind und somit den Respekt und das Ansehen der Herde genießen, die es schaffen, über die leisen Töne ein gutes Vorbild zu sein, gute Entscheidungen für die Herde zu treffen und so zum vertrauensvollen Leader werden. 

Von wem könnten wir also besser lernen, was Respekt bedeutet und wie wir uns diesen verdienen können als von den Pferden selbst? 

Zwar können wir die Körpersprache der Pferde nicht 1:1 kopieren (was auch nicht zielführend wäre), aber wir können uns abschauen, dass Pferde zum Beispiel das Energielevel des Anderen aufgreifen und entsprechend reagieren. Dies geschieht im Bruchteil von Sekunden. Pferde sind absolute Experten darin, die Körpersprache des Anderen zu lesen. Es ist wichtig, dass wir uns dessen bewusst sind und immer wieder versuchen, die Kommunikation zu unserem Pferd zu verbessern, indem wir an unserem Ausdruck arbeiten. Dabei wollen wir stets so “leise” wie möglich sein, aber so effektiv wie nötig. Nur so können wir dem Pferd zeigen, dass wir einen Plan haben und diesen auch (friedlich) durchsetzen können. Dieses Vorgehen ist nicht neu, es entspricht den uralten Grundsätzen des Natural Horsemanships und trotzdem ist es aktueller denn je! 

Mein Tipp: Beobachte so oft es geht Pferde unter möglichst natürlichen Bedingungen, z.B. auf der Koppel in ihrer Herde. Wer trifft die Entscheidungen, wer steht bei wem, wer erhält so viel Respekt, dass die anderen den Weg freiwillig frei machen und was macht dieses Pferd besonders? Alle diese Beobachtungen machen es dir einfacher, mit deinem Pferd zu kommunizieren und außerdem festigt es die Beziehung zwischen euch beiden extrem, wenn du es nicht nur zum Arbeiten aus der Herde zerrst, sondern dich auch ab und an ohne Ansprüche dazu gesellt. 

  • Gute Entscheidungen für dein Pferd treffen

Nachdem wir jetzt wissen, dass gute Leader gute Entscheidungen für ihre Herde treffen, sollten wir damit beginnen, dies auch für unsere “Herde”, also für uns und unser Pferd zu tun. Gute Entscheidungen treffen heißt für ein Pferd vor allem seine vier Grundbedürfnisse zu befriedigen: Sicherheit, Komfort, Spiel und Spaß und Futter. Das letzte dieser Bedürfnisse ist sicher am einfachsten zu befriedigen, daher möchte ich darauf nicht weiter eingehen. 

Sicherheit, Komfort, Spiel und Spaß sollte dein Pferd vor allem in deiner Gegenwart finden. Wenn ihr in eine brenzlige Situation kommt, ist es besonders wichtig, dass du einen guten Plan hast und dem Pferd zeigst, dass es dir vertrauen kann. Natürlich müssen auch mal unangenehme Dinge, wie ein Tierarzt-Besuch hinter sich gebracht werden, doch mit der richtigen Vorbereitung kann auch dieser entspannt und für das Pferd einigermaßen komfortabel ablaufen. 

Trotzdem dürfen wir nicht vergessen, dass wir vergleichsweise wenig Zeit mit unseren Pferden verbringen. Den größten Teil des Tages verbringen sie in ihrem Zuhause und (hoffentlich) mit ihrer Herde. Es ist daher absolut wichtig, dass wir versuchen, ein möglichst artgerechtes Zuhause für unsere Pferde zu finden. Viele Probleme im Umgang und beim Reiten entstehen schlichtweg dadurch, dass die Pferde nicht artgerecht gehalten und ihnen so ihre natürlichen Bedürfnisse aberkannt werden. 

Wer den ehrlichen Respekt seines Pferdes möchte, muss unbedingt auch seinem Pferd Respekt entgegen bringen. Respekt ist keine Einbahnstraße! Respektiere ich die natürlichen Bedürfnisse meines Pferdes nicht, werde ich keinen ehrlichen Respekt erhalten, höchstens Gehorsam durch Unterwerfung. 

  • Die 49/51 Regel 

Dein Pferd wird dich noch mehr respektieren, wenn du dich bereit erklärst, immer wieder mit ihm in den Dialog zu treten. Das heißt nicht, dass du ständig das tun solltest, was dein Pferd gerne möchte, wohl aber, dass du darauf achtest, die aktuelle Verfassung deines Pferdes zu berücksichtigen und die Antworten, die dein Pferd dir gibt, auch ernst zu nehmen. Das Zünglein an der Waage, gewissermaßen die allerletzte Entscheidungsmacht, das eine Prozent, das Sicherheitsnetz im Notfall – eben den nötigen Respekt – wird dein Pferd dir dann ganz automatisch entgegen bringen, wenn es merkt, dass du es ernst nimmst und nicht über seinen Kopf hinweg entscheidest, sondern eben das Beste für es im Sinn hast. 

In einem früheren Blog-Post habe ich die 49/51 Regel schon einmal ausführlich erklärt, daher möchte ich an dieser Stelle nur noch einmal in aller Kürze darauf eingehen. 

In unserer menschengemachten, zivilisierten Welt ist es wichtig, dass wir in der Lage sind, unser Pferd im Notfall zu kontrollieren. Ein “Stop!” am Straßenrand muss eben immer ein “Stop!” sein, da es sonst zu gefährlichen Situationen kommen kann. Trotzdem kann ich meinem Pferd, wenn die Voraussetzungen es zulassen und die Beziehung gefestigt ist, ein gewisses Mitspracherecht einräumen – eben mit der Option, jederzeit “Stop! Ab hier übernehme wieder ich!” sagen zu können. 

Ein Chef, der dich ehrlich nach deiner Meinung fragt, wird von dir sicher mehr Respekt erhalten als ein Vorgesetzter, der dir das Gefühl gibt, deine Meinung würde nicht zählen. Trotzdem wird auch ein Chef, der sich mit dir berät, in letzter Instanz die Entscheidung treffen und für die Konsequenzen gerade stehen. 

  • Einen Plan haben und diesen verfolgen oder auch: Die liebevoll, verlässliche Konsequenz

Gute Leader zeichnen sich nicht nur durch gute Entscheidungen aus, sondern verfolgen auch einen Plan, der das Wohl aller im Fokus hat. Dieser Plan beinhaltet möglicherweise auch Schritte, die bei der Herde nicht zu sehr auf Begeisterung stoßen, aber eben notwendig sind, um ein gutes Leben zu führen. 

Wir alle wollen, dass unsere Pferde ein möglichst sorgenfreies und langes Leben führen können. Deshalb sorgen wir uns um ihre Ausbildung und Gesundheit. Für ein Pferd macht es in diesem Moment vielleicht wenig Sinn, warum es diese oder jene Übung ausführen soll, wir hingegen wissen, dass dies die Rückenmuskulatur stärkt und deshalb wichtig ist. 

Ein guter Leader wird seinem Pferd in diesem Fall mit liebevoller Konsequenz die einzelnen Schritte des Plans zu erklären, aber auch darauf bestehen, dass er umgesetzt wird. Nicht um jeden Preis und immer mit Blick auf die aktuelle Situation, aber konsequent. 

Eine Freundin, die ständig ihre Versprechen bricht und sich nicht an Vereinbarungen hält, wird wohl die längste Zeit deine Freundin gewesen sein. Genau so ergeht es unseren Pferden. Menschen, die nicht verlässlich sind, eignen sich in den Augen unserer Pferde nicht als Leader und werden entsprechend behandelt. Es kommt zu Respektlosigkeit und so genannten “Unarten” im Umgang.  

  1. Reflektieren und konstant verlässlich bleiben   

Wer mir schon länger folgt, weiß, dass ich ein absoluter Verfechter von persönlicher Weiterbildung und Reflexion bin. Um ein guter Leader für dein Pferd zu sein und dessen ehrlichen Respekt zu bekommen, ist es ebenfalls extrem wichtig, dass man sich selbst immer wieder reflektiert und daran arbeitet, besser zu werden. 

Pferde leben viel stärker im Hier und Jetzt als wir. Sicher kennst du die Situation auf einem Klassentreffen, indem man fast sofort wieder in die Rolle rutscht, die man auch zur Schulzeit hatte. Und dabei spielt es eigentlich keine Rolle, wie viel Zeit seitdem vergangen ist und wie sehr man sich weiterentwickelt hat. Menschen haben ein bestimmtes Bild von ihren Mitmenschen im Kopf und brauchen häufig sehr lange bis sie dieses durch ein aktuelleres ersetzen. Das liegt daran, dass wir Menschen sehr stark in der Vergangenheit und der Zukunft denken. Pferde hingegen leben stärker im Hier und Jetzt und so kommt es, dass ein Leader auch immer wieder aufs Neue beweisen muss, dass er seine Führungsqualitäten noch innehat. 

Das Überleben der Herde ist davon abhängig, dass der Leader heute noch so verlässlich ist wie gestern, falls er das nicht ist, muss er ersetzt werden, sonst ist die Herde in Gefahr. Das bedeutet, dass wir unserem Pferd jeden Tag aufs Neue beweisen müssen, dass auch wir verlässlich sind. 

Die gute Nachricht: Wenn du bisher eher nicht mit Führungsqualitäten geglänzt hast, kannst du die Meinung deines Pferdes über dich aber auch recht schnell wieder verändern. 

Dabei sind es weniger die konkreten “Respekt-Übungen”, die du mit deinem Pferd ausführen kannst, noch hilft es, deinem Pferd Tricks beizubringen. Es sind die tägliche Haltung und das Auftreten, sowie der Umgang mit Schwierigkeiten im Alltag, die uns als souveränen Leader auszeichnen – oder eben auch nicht. 

Du wirst auch nicht jeden Tag knallharte Rängkämpfe führen müssen, aber dein Pferd erwartet von dir, dass du eben solide und verlässlich bist und es führen kannst. Deshalb ist es extrem wichtig, dass du dich regelmäßig selbst reflektierst und weiterbildest – so kannst du dein Pferd (noch mehr) davon überzeugen, dass du ein zuverlässiger Leader bist, den es respektieren und dem es vertrauen kann. 

 

Zusammenfassend kann man also sagen, dass Respekt, zumindest in meiner Definition keine Einbahnstraße ist. Nur, wenn du absolut dazu bereit bist, dein Pferd in seiner Natur zu respektieren und dessen Bedürfnissen gerecht wirst, wird dein Pferd dich vertrauensvoll respektieren. 

Besteht schließlich dieser gegenseitige Respekt, kann daraus eine wundervolle, tiefe und ehrliche Partnerschaft entstehen, in die man gerne investiert und für die man sich bemüht, noch besser zu werden. 

“Horses run faster and jump higher out of heart and desire.” (Pat Parelli) 

Hast du den Respekt deines Pferdes gewonnen, können Dinge geschehen, die du dir bisher nicht erträumen konntest. 

Dein Pferd verhält sich respektlos? Du brauchst Hilfe beim Respekt- und Beziehungsaufbau? Du suchst einen Horsemanship-Trainer, der dich dort abholt wo du stehst und dich ganzheitlich unterstützt? Dann melde dich sehr gerne bei mir – gemeinsam können wir eine Strategie entwickeln, wie ich dir bestmöglich dabei helfen kann, der perfekte Partner und Leader für dein Pferd zu werden! 

 

Ich sende dir liebevoll-respektvolle Grüße und wünsche dir eine schöne Zeit mit deinem Pferd! 

Bis bald, 

deine Kathi



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