Pferde können weder mit Worten sprechen, noch lachen oder weinen. Die einzige Art wie sie kommunizieren ist durch Körpersprache. Viele glauben, dass ein Pferd glücklich ist, wenn es seine Ohren nach vorne gerichtet hat und unglücklich ist, wenn seine Ohren nach hinten sind. Aber das ist sehr trügerisch!
Für ein Pferd bedeutet glücklich zu sein in erster Linie einfach zufrieden zu sein.
Für uns Menschen umfasst Glück eine ganze Bandbreite an Gefühlen: Freude, Heiterkeit, Begeisterung…
Und genau an dem Punkt können wir verwirrt werden, weil wir nach Anzeichen von Ausgelassenheit und Jubel Ausschau halten, wenn wir wissen wollen ob unser Pferd glücklich ist.
Genau wie Menschen sind Pferde auch dann glücklich, wenn unsere grundlegenden Bedürfnisse befriedigt sind und das sind in absteigender Reihenfolge:
Sicherheit
Komfort
Spiel/ soziale Interaktion
Wenn ein Pferd sich in Sicherheit vor Raubtieren wägt, schätzt es Komfort. Wenn es sich sicher und komfortabel fühlt fängt es an durch Spiele die Rangordnung zu klären. Das geschieht nicht nur in der sozialen Interaktion mit anderen Pferden, sondern auch mit Menschen!
Sicherheit:
Pferde fühlen sich im Schutz einer Herde sicher. Die Herde ist die natürlichste und wichtigste Schutzfunktion. Vielleicht hast du schon einmal beobachtet wie ein aufgeschrecktes Pferd in andere Pferde hineingerannt ist oder gedrückt hat um ins Zentrum der Herde zu kommen?
Die Rangordnung in der Herde hat ihr Ursprung zunächst auch einmal im Sicherheitsbedürfnis der Pferde: Das dominanteste Pferd mit dem besten Plan passt auf die Herde auf.
Je mehr dir dein Pferd vertraut und dich als Leader eurer Zweier Herde respektiert, desto sicherer fühlt es sich. Das Ziel ist, dass dein Pferd sich an dich bindet, weil du diese Sicherheit für ihn ausstrahlst.
Häufige Probleme, die ihren Ursprung in einem Mangel an Sicherheit haben sind:
– Das Pferd klebt an der Herde, hat Angst alleine zu sein, ruft ständig seinen Kumpels
– Das Pferd geht nicht vom Hof, will nicht auf den Reitplatz, bleibt ständig am Tor stehen
– Ist angespannt, nervös
– Ist schreckhaft
– Geht durch
– Steigt
– Tritt zur Verteidigung
– Kämpft gegen den Zügel, das Halfter, die Trense
– Hat Angst vor dem Hufschmied, Tierarzt etc.
Wie kannst du deinem Pferd nun die Sicherheit geben, die es braucht?
Versuche seinen Lebensraum so natürlich wie möglich in einer Herde (mindestens 6 Pferde) oder zumindest mit einem Kumpel auf der Koppel zu gestalten.
Sei ein guter Leader, weder ängstlich noch aggressiv, sondern ruhig, fokussiert und mit genügend Fähigkeiten ausgestattet.
Wenn du typisches Raubtierverhalten wie Bedrohung, Aggression, Bestrafung, grobe Hände am Seil oder an den Zügeln zeigst oder versuchst das Pferd zu fangen, provozierst du ganz selbstverständlich eine typische Fluchttierreaktion: Kampf oder Flucht.
Vermeide es den Chef zu spielen oder Verbote zu aufzustellen, sondern baue stattdessen eine Verbindung auf.
Dabei kann dir folgendes helfen:
Gib deinem Pferd, lasse nach, zieh dich mehr zurück, anstatt zu nehmen, grob zu sein oder zu ziehen.
Erlaube ihm etwas wegzudriften anstatt ihn festzuhalten und einzuschränken.
Zieh dich mehr zurück, als du dich annäherst, besonders wenn das Pferd ängstlich, zögerlich, scheu oder skeptisch ist.
Lehre dem Pferd Druck zu verstehen und sich in beengten Situationen wohl zu fühlen.
Entwickle in deinem Pferd Vertrauen in sich selbst und in neue Umgebungen.
Komfort:
Menschen denken beim Wort Komfort an angenehme Temperaturen oder ein bequemes Sofa, wohin gegen Pferde unter Komfort Friede/Ruhe und die Abwesenheit von Stress und Druck verstehen.
Was dazu führt, dass Pferde sich unkomfortabel fühlen sind:
– Druck: körperlicher, mentaler oder emotionaler
– Überarbeitung
– Unpassende, einschränkende Ausrüstung
– Ein unbalancierter oder grober Reiter
Pferde sind von Natur aus motiviert sich von Druck wegzubewegen und nach Komfort zu suchen. Dieses Wissen kann unser Training deutlich verbessern.
Zum Beispiel erfahren viele Pferde im Training und beim Reiten permanenten Druck: Am Halfter festgehalten werden, ein pausenlos gespanntes Seil, zurückhalten am Zügel, permanentes Treiben mit dem Sitz, Bein oder Sporen…
Wenn ein Pferd den Punkt, an dem der Druck nachgelassen wird nicht finden kann wird es angespannt, frustriert, gestresst oder stumpf.
Es ist unglaublich wichtig zu lernen das Pferd mit leichtem Druck zu bewegen und diesen wegzunehmen oder runterzufahren sobald das Pferd antwortet. Um ein Pferd leicht zu bekommen ist zudem das richtige Timing entscheidend.
Anzeichen, dass das Pferd keinen Komfort finden kann sind unter anderem:
– Das Pferd schlägt mit dem Kopf
– Das Pferd knirscht mit den Zähnen
– Beißt auf dem Gebiss herum
– Öffnet das Maul
– Schlägt mit dem Schweif
Wie kann ich das Bedürfnis des Pferdes nach Komfort erfüllen:
– Steigere Druck langsam und lasse sofort nach, wenn das Pferd versucht nachzugeben
– Gib ihm Ruhe und Pausen besonders wenn die Arbeit anstrengend ist
– Halte die Zügel/ das Seil still
– Halte die Füße still- am Boden und im Sattel
– Nimm die Hilfe sofort weg, wenn das Pferd antwortet und gehe zu passiven Hilfen über
– Habe gute Fähigkeiten- Balance und Kommunikation
– Habe mehr Gefühl. Nicht nur wie du die Zügel in die Hand nimmst und die Hilfen anwendest, sondern auch in Hinblick auf die Beziehung zu deinem Pferd.
– Betrachte die Dinge aus den Augen deines Pferdes und gestehe dir ein wie wichtig das ist.
Spiel:
Wenn Pferde sich sicher und komfortabel fühlen beginnen sie miteinander zu spielen. Sie spielen dabei Dominanzspiele, die Struktur in die Herde bringen. Dabei zwicken und necken sie einander sowohl freundschaftlich, als auch dominant um zu sehen wer der Stärkste, der Schnellste und der Mutigste ist.
Je höher das Spirit-Level, der Ausprägungsgrad der Charaktereigenschaften unabhängig vom Persönlichkeitstyp ist, desto eher neigt das Pferd dazu sich mit anderen zu dominieren.
Pferde spielen diese Dominanzspiele auch mit Menschen, sobald sie keine Angst mehr vor ihnen haben. Die Herangehensweise ist dabei nicht mit dem Pferd um die Führungsposition zu kämpfen, sondern zu verstehen wie Pferde das untereinander tun.
Es geht ums Weichen- wer bewegt wessen Füße???
Jedes Mal wenn dein Pferd dich bewegen kann ist das ein Bonuspunkt auf seinem Leaderkonto dir gegenüber.
Deinem Pferd zu lehren höflich von Druck zu weichen ist eines der ausschlaggebendsten Dinge, wenn es darum geht die Beziehung und Kommunikation mit deinem Pferd zu verbessern.
Versuche dieses Bedürfnis nach Spiel in den Lernprozess zu integrieren. Wenn dein Pferd genug zu tun hat verschwinden die Ideen dich zu dominieren, aber sei achtsam, wenn es gelangweilt ist.
Nun stellt sich die Frage wie kannst du mit deinem Pferd spielen?
– Gestalte die Einheiten interessant – vermeide Langeweile und unnötige Wiederholungen
– Habe eine spielerische Grundhaltung und nimm die Sache nicht zu ernst
– Belohne gutes Verhalten und ignoriere Unerwünschtes (solange das Pferd nicht in deinen Bereich eindringt) – bleibe fokussiert und am Ball -> der Leader hat einen Plan
– Lerne ein guter Leader zu sein: klar, fair, freundlich, fokussiert, motivierend und kreativ
Denke immer daran, dass dein Pferd die Ohren vielleicht gerade nach hinten genommen hat um etwas hinter sich zu überprüfen…
…oder es legt die Ohren an, weil es versucht dich zu dominieren und ist ziemlich glücklich darüber. Es gibt noch viel mehr Faktoren, die du überprüfen musst um herauszufinden ob dein Pferd glücklich ist.
Geh die Checkliste durch:
Fühlt sich dein Pferd sicher… grundsätzlich, in diesem Moment?
Fühlt sich dein Pferd komfortabel…kann er mit dir in Harmonie kommen?
Kann es spielen und lernen… ist es mental, emotional und körperlich stimuliert?
Die Bedürfnisse von Pferden sind relativ simpel, wir müssen nur wissen wie wir sie erfüllen können und es dann auch tun.
Außer dem Bedürfnis nach Sicherheit haben Menschen andere Bedürfnisse.
Anthony Robbins definiert diese 6 menschlichen Bedürfnisse:
1. Sicherheit
2. Abwechslung
3. Anerkennung
4. Liebe und Verbundenheit
5. Wachstum
6. Einen Beitrag leisten
Interessanter Weise beeinflusst genau das unsere Einstellung gegenüber unseren Pferden! Aber darüber reden wir ein anderes Mal…
Bis bald,
Deine Kathi